Ärztin betrachtet zwei Monitore mit bunten Kurven und Zahlen auf schwarzem Grund; Quelle: BMWi / Ole Spata

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Dr. Odette Fründt hat alles im Blick. Auf der „Stroke Unit“, einer zertifizierten Spezialstation für Schlaganfallpatienten im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), betrachtet die angehende Fachärztin für Neurologie zwei Monitore. Auf diesen kann sie gebündelt die wichtigsten Vitalparameter der Patienten in den umliegenden Zimmern sehen: Puls, EKG, Blutdruck oder Sauerstoffsättigung. Gibt es Unregelmäßigkeiten oder auffällige Befunde, schlägt das System Alarm. „Bei bestimmten Alarmen, wir nennen sie intern ‚Stufe Rot’, stürmen wir sofort los ins Patientenzimmer“, erklärt die Assistenzärztin. „In weniger dringenden Fällen betrachten wir die Auffälligkeiten erst einmal gründlicher auf dem Monitor. Die Computeraufzeichnung gibt uns beispielsweise die Möglichkeit, im EKG des Patienten schnell einmal ‚zurückzuspulen‘. Das ist für eine schnelle korrekte Diagnose sehr hilfreich.“

Doch natürlich kann und soll ein elektronisches System den persönlichen Kontakt zwischen Ärztinnen und Ärzten und ihren Patientinnen und Patienten nicht ersetzen. Nach wie vor gibt es tägliche Visiten. Doch auch diese haben durch die Digitalisierung eine grundlegende Änderung erfahren. Wenn die Patienten heute ärztlichen Besuch bekommen, dann hat dieser stets einen transportablen Computer auf einem Rollwagen dabei. Der Hintergrund: Das UKE arbeitet nahezu papierlos, alle Patientenakten werden digital geführt.

Keine Angst vor schlimmer Handschrift

Mit ihren dreißig Jahren kann Dr. Fründt sich zumindest noch aus dem Studium an Patientenakten aus Papier erinnern. „Etwas überspitzt gesagt war man damals permanent auf der Suche“, erinnert sie sich. „Wenn der Patient zu einer Untersuchung oder Therapiemaßnahme ging, dann ging die Akte mit, auf der Station konnte in dieser Zeit niemand darauf zugreifen.“ Durch die digitale Akte sind nunmehr alle Daten, Befunde wie Labor- oder Röntgenergebnisse und Dokumente jederzeit verfügbar. Selbstverständlich sind diese persönlichen Daten optimal gegen Zugriff durch Unbefugte geschützt. Bringt ein Patient Unterlagen aus einem weniger modernen Krankenhaus mit, werden diese im UKE digitalisiert und der elektronischen Akte hinzugefügt. Aktualisierungen während des Klinikaufenthaltes erfolgen in Echtzeit und durch die Eingabe per Tastatur hat auch die in früheren Zeiten berüchtigte Ärztehandschrift viel von ihrem Schreckenspotenzial eingebüßt.

Ärztin zeigt liegendem Patienten Röntgenaufnahme; Quelle: BMWi / Ole Spata

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Mehr als nur Dokumentation

Die Möglichkeiten der digitalen Patientenakte, wie sie im UKE im Einsatz ist, gehen weit über die Dokumentation hinaus. Die digitale Akte ist ein Tool, mit dem komplexe Vorgänge und Prozesse gesteuert werden. Herausragendes Beispiel: die Versorgung der Patienten mit Medikamenten. Wenn die Ärztinnen und Ärzte Medikamente verordnen oder bestehende Medikationen verändern, dann geben sie dies direkt in die Akte ein. Diese steht in Kontakt zu einer umfassenden Datenbank, in der alle Präparate und Wirkstoffe erfasst sind. „Das dient als rasche Informationsquelle und erspart uns die schweren Medikamentenbücher, die frühere Ärztegenerationen in der Kitteltasche mit sich herumtrugen“, erläutert Dr. Fründt. Wenn verordnete Präparate untereinander Wechselwirkungen zeigen oder übliche Höchstdosierungen überschritten werden, erscheinen sofort Warnsymbole auf dem Bildschirm.

Apotheker prüft Streifen mit Folienbeuteln; Quelle: BMWi / Ole Spata

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Schickt die Ärztin die Verordnung auf den digitalen Weg, dann ist das Team in der UKE-eigenen Krankenhausapotheke am Zug. Einer aus dieser extrem wichtigen Mannschaft ist Christian Sommer. Der 34-jährige Fachapotheker für Klinische Pharmazie zeigt dem Besucher eine Anlage, die selbst in Deutschland ihresgleichen sucht. Auf Grundlage der Daten aus den Patientenakten werden in einer elektronischen Verpackungsmaschine individuelle Einzeldosen für jeden Patienten konfektioniert, in Folie verpackt, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend etikettiert und schließlich an die Stationen ausgegeben.

Hände mit Folienbeutel; Quelle: BMWi / Ole Spata

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Sicherheit und Patienteninformation

Die Arbeit der klinischen Pharmazeuten reicht freilich weit über die Überwachung dieses Prozesses hinaus: Zweimal täglich überprüfen Christian Sommer und seine Kollegen alle neuen Arzneimittelverordnungen auf Plausibilität, Indikation, Gegenanzeigen, Dosierung und eventuelle Wechselwirkungen. Tag für Tag schicken Christian Sommer und seine Kollegen etwa 12.000 Dosierungen von oral einzunehmenden Medikamenten in die verschiedenen Kliniken und Stationen auf dem weitläufigen UKE-Campus im Hamburger Norden. „Unser System erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern es trägt auch in hohem Maße zur Patientensicherheit bei“, erklärt Christian Sommer. „Bei uns bekommt kein Patient aus Versehen eine falsche Tablette. Jede einzelne Dosis wird nach dem Verpacken fotografiert, das Bild mit einer Referenzaufnahme verglichen. So konnten wir die Fehlerquote praktisch auf null senken.“ Und die Patienten bekommen zu ihrer individuellen Medikation durch die Dosiermaschine eine besondere Dienstleistung: Jeder Folienbeutel trägt einen QR-Code. Scannt der Patient diesen mit seinem Smartphone oder Tablet ein, bekommt er automatisch umfassende Informationen zu seinem Medikament angezeigt.