Monika Linder und ihre Auszubildende Lisa Seewald; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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„Der Span ist schön“, lobt Monika Linder ihre Auszubildende Lisa Seewald, die in der Werkstatt Holzart im ersten Lehrjahr die Grundfertigkeiten des Tischlerhandwerks lernt. Und dazu gehört an diesem Tag der Umgang mit der Raubank, einem großen Hobel zur Bearbeitung von Brettern. Schon seit Jahrhunderten steht der Umgang mit Werkzeugen wie diesem am Beginn der Lehre, nach und nach kamen und kommen dann die Feinheiten hinzu. Doch anders als früher spielen heutzutage auch im traditionellen Handwerk Computer und Digitaltechnik eine wichtige Rolle. Das wird spätestens im benachbarten Raum der Werkstatt in Berlin-Weißensee deutlich. Auch hier riecht es nach Holz, Leim und Lack, doch anders als in der Lehrwerkstatt ist es hier recht laut, ein gellend hoher Ton liegt in der Luft. 

Monika Linder setzt sich einen Gehörschutz auf, tritt an eine große Maschine, wischt den auf allen Flächen im Raum liegenden feinen Holzstaub von einem Sichtfenster und wirft einen prüfenden Blick ins Innere. „Das hier ist unsere CNC-Fräse“, erklärt sie uns. Mit dem kreischenden Ungetüm kann das Team von Holzart seinen natürlichen Werkstoff in ziemlich jede Form bringen, die das Material hergibt.

Monika Linder; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten, die die Fräse den Tischlerinnen von Holzart bietet, liegt frisch lackiert auf einer Werkbank: halbrund zugeschnittene Bretter mit runden Aussparungen. „Das wäre mit klassischen Handwerkstechniken nur sehr aufwendig herzustellen“, erläutert Monika Linder. „Mit der CNC-Fräse ist das aber überhaupt kein Problem.“ Die Teile werden am Rechner entworfen. Mit den dabei entstehenden Daten wird die Fräse gesteuert. Was aus den etwas merkwürdigen Formen am Ende entstehen soll? Die Tischlerin und Holztechnikerin lächelt, muss aber eine genaue Antwort schuldig bleiben. Denn das Holzart Team betreibt nicht nur professionellen Innenausbau und hochwertigen Möbelbau für ihre eigenen Kunden, sondern fertigt auch einzelne Teile für andere Tischlereien. „So eine CNC-Fräse ist nicht ganz billig, also sind wir auch als Dienstleister für kleinere Betriebe und Partner am Markt.“

Monika Linder; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Holzart ist die Ideenwerkstatt eines gemeinnützigen Vereins: 1988 schlossen sich im damaligen Westberlin Architektinnen, Planerinnen und Handwerkerinnen zusammen, um die Ausbildungs- und Arbeitschancen von Frauen in Bau und Aufbauberufen zu verbessern. Das Resultat war der eingetragene Verein Baufachfrau Berlin. 1999 wurde die Tischlerwerkstatt des Vereins zu einer professionellen Produktionsstätte ausgebaut, die bis heute auf der Höhe der Zeit ist. Monika Linder erinnert sich noch gut an die Zeit der Professionalisierung und der Anschaffung digitaler Produktionstechnik: „Es gab damals durchaus Widerstände.“ 

Doch es überwogen die Vorteile. Diese liegen zunächst einmal in der körperlichen Entlastung der Handwerkerinnen; anstrengende Bearbeitungsschritte werden automatisiert und zusammengefasst. Weitaus wichtiger ist jedoch der qualitative Sprung. Die Computertechnik versetzt die Tischlerinnen von Holzart in die Lage, weit mehr und komplexere Formen zu gestalten, als dies mit herkömmlichen Techniken möglich wäre. Monika Linder bringt es auf den Punkt: „Die digitale Technik hat uns als Nutzerinnen ganz neue kreative Möglichkeiten eröffnet – einen neuen Gestaltungsspielraum, der auch noch bezahlbar ist.“ Dieser beginnt, schon ehe der erste Span gefallen ist, am Schreibtisch. Dort nehmen Ideen am Computer Gestalt an, werden Werkstücke gezeichnet und Projekte geplant und Konzepte visualisiert. Monika Linder ist begeistert: „Ich persönlich finde diese Technik wirklich toll“, strahlt sie. Doch trotz aller Computerbegeisterung ist sie mit Leib und Seele Tischlerin: „Wir lassen uns von Computern helfen und genießen die Möglichkeiten. Aber am Ende bleiben wir trotzdem Handwerkerinnen.“

Monika Linder; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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