Fabian Westerheide

© Westerheide / Kopf & Kragen

Künstliche Intelligenz, so sieht es Fabian Westerheide, ist die logische Fortsetzung von herkömmlicher Softwareentwicklung. Und deren Zeit sei nun gekommen: Die Computer sind leistungsfähig und die Datenmengen groß genug, um autonome Software hervorzubringen –  Programme, die selbstständig lernen und sich so immer weiter verbessern. Westerheides These: „Künstliche Intelligenz dringt in alle Bereiche des Lebens vor, sie ist vielleicht das größte Thema seit der Erfindung des elektrischen Stromes, vielleicht sogar die letzte Erfindung der Menschheit.“ So ist es nur folgerichtig, dass Westerheide voll und ganz auf diese Zukunftstechnologie setzt. Der 30jährige Betreiber eines Venture-Capital-Fonds ist nicht nur an gut 20 KI-Unternehmen beteiligt – er spricht auch auf Fachkonferenzen und gilt als ein visionärer Vordenker, wenn es um die Zukunft mit Künstlicher Intelligenz geht.

Mit leuchtenden Augen skizziert er eine Welt, in der KI den Menschen viel Arbeit abnehmen und wissenschaftlichen Fortschritt hervorbringen wird: „Wir werden länger leben und weniger arbeiten. Den Menschen bleibt viel mehr Zeit, Mensch zu sein – und das bei höherem Wohlstand als heute.“ Für die Entwicklung Künstlicher Intelligenzen und darauf beruhenden Anwendungen, Produkten und Dienstleistungen sieht Westerheide ein enormes Potenzial in Deutschland: „Im weltweiten Vergleich stehen wir bei der Zahl der KI-Unternehmen auf Platz vier – mit 100 allerdings deutlich hinter den USA und China, wo jeweils etwa 1.000 Firmen auf diesem Gebiet tätig sind. Was Wissen und Forschung angeht, sind wir ganz hervorragend aufgestellt. Und auch an großen Unternehmen, die mit ihren Waren und Dienstleistungen auf den Märkten der Welt präsent sind, mangelt es nicht.“

Vor allem von letzteren fordert der KI-Visionär ein grundlegendes Umdenken: „Die großen Technologieunternehmen in Deutschland tendieren dazu, immer alles selbst machen zu wollen. Das kostet Zeit – und die haben wir einfach nicht. Heute muss man mit seiner Idee nach spätestens acht Jahren an der Börse sein.“ Westerheide wirft einen Blick nach Übersee: „In den USA arbeiten die Universitäten sehr eng mit Start-ups zusammen. Start-ups erhalten zudem zehnmal mehr Kapital als in Deutschland. Dieses Kapital wird genutzt für die Gewinnung der besten Talente, für Wachstum und Markteroberung. Zusätzlich kaufen amerikanische Konzerne jedes Jahr hunderte kleinerer Firmen. Das spielt Geld in das System und sorgt für mehr Innovation in den Konzernen.“

Davon sollten in den Augen Westerheides Deutschlands Großunternehmen lernen: „Deutsche Konzerne entwickeln zu viel im eigenen Haus. Das hat früher sehr gut funktioniert, ist heute jedoch nicht mehr zeitgemäß.“ Westerheide pocht auf ein Umdenken in den Führungsetagen: „Eine Bereitschaft von Konzernen, mit jungen Firmen zu arbeiten, ist sehr wichtig. Dafür braucht es zentrale Ansprechpartner, schnellere Prozesse und Vertrauen. Es treffen oftmals zwei Welten aufeinander und Konzerne könnten eine Menge von Start-ups lernen. Am Ende braucht es Käufer von jungen Firmen. Wir haben große, mächtige und reiche Konzerne. Würden diese nur einen Bruchteil ihres Kapitals verwenden, um Start-ups zu kaufen, würden alle profitieren.“

Westerheide koordiniert beim Bundesverband Deutsche Startups e. V. das Themenfeld künstliche Intelligenz. Die Aktivitäten des BMWK, etablierte Unternehmen mit jungen Gründerteams zusammenzuführen, bewertet er sehr positiv: „Die Start-ups Nights, aber natürlich auch alles, was in dieser Hinsicht rund um den Digital-Gipfel passiert, geht eindeutig in die richtige Richtung.“ Zugleich blickt er jedoch über die Grenzen hinaus und nimmt eine europäische Perspektive ein: „Ich bin begeisterter Europäer, ich sehe die EU als Wertegemeinschaft. Für mich muss sich Europa zu einem technologischen Gegengewicht zu den USA und China entwickeln.“ Und er fügt provokativ hinzu: „KI wird von Menschen entwickelt und ist deshalb niemals neutral. Wollen Sie in einer Welt leben, in der Ihr smartes Auto chinesisch denkt? Oder möchten Sie Vertrauen in eine KI-Technologie haben können, die auf unseren europäischen Grundwerten beruht?“