Dorothee Berger am Rechner; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Dorothee Berger klappt den Aktenordner mit den Marmeladenrezepten energisch zu. „Im nächsten Jahr gibt es hier kein Papier mehr, dann geht das alles mit dem Tablet.“ Die Kiloangaben in der Rezeptsammlung sind durchweg mehrstellig, denn die 37-Jährige steht nicht in der heimischen Küche, sondern in einem mittelständischen Lebensmittelbetrieb. 1992 hat ihre Mutter Christine Berger im südwestlich von Potsdam gelegenen Örtchen Petzow eine Firma gegründet, um Sanddornsaft zu produzieren und zu vermarkten. Seitdem wächst das Unternehmen beständig und ist mittlerweile Markt- und Innovationsführer im Bereich der Sanddornverarbeitung. Die Produkte der Marke Sandokan stehen bundesweit in den Regalen von Biomärkten und gehobenen Einzelhändlern. 2007 stieg Tochter Dorothee nach erfolgreichem Studium der Betriebswirtschaft und der Lebensmitteltechnologie in das Unternehmen ein, inzwischen führt sie gemeinsam mit ihrer Mutter die Geschäfte. 

Kisten mit Sanddornsaft; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Seit den Anfängen hat sich eine Menge getan; Hofläden und Gastronomie kamen hinzu, die Produktion wuchs nicht nur mengenmäßig: Mittlerweile hat die Christine Berger GmbH und Co. KG 180 Produkte im Sortiment, vom Sanddornsaft über Weine und Liköre bis hin zu Spirituosen, Süßwaren und Produkte zur Körperpflege, Tees und Aufstriche – es scheint kaum etwas zu geben, was sich nicht aus Sanddorn herstellen ließe. 

Im neu errichteten modernen Produktions- und Verwaltungsgebäude hat Dorothee Berger ihr Büro. Am Computerbildschirm betrachtet sie die Homepage des Unternehmens, die neben Informationen über das Unternehmen und seine Produkte auch eine Bestellmöglichkeit bietet. Ein Klick, und statt der bunten Homepage erscheinen nüchterne Tabellen. „Meine Mutter hat von Anfang an EDV eingesetzt“, erklärt die junge Frau. „Schon 1994 hat sie entschieden, ein elektronisches Warenwirtschaftssystem anzuschaffen.“ So musste sie bei ihrer Mutter nicht intensiv dafür werben, mit dem Familienunternehmen einen großen Sprung in die Digitalisierung zu machen. 

Homepage des Unternehmens; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Bei einem Rundgang durch das moderne Gebäude wird deutlich, was Dorothee Berger vorhat: Der Besucher wähnt sich weniger in einem Lebensmittelbetrieb und mehr in einem High-Tech Labor. So geht es in der Marmeladenküche, wenn die Zutaten erst einmal nach dem Papierrezept zusammengestellt sind, digital ans Werk – der köstlich duftende Kochprozess wird permanent von Sensoren überwacht, die Hitze automatisch geregelt, Koch- und Haltezeiten computergesteuert eingehalten. In der benachbarten Abfüllung werden die lautstark über ein Förderband klackernden Marmeladengläser automatisch befüllt, etikettiert und verschlossen.

Doch dann zeigt sich eine Lücke im digitalen Prozess: Ein Mitarbeiter entnimmt, wie es das Eichgesetz vorschreibt, regelmäßig Stichproben, um diese zur Kontrolle auf einer digitalen Waage genau nachzuwiegen. Die Messwerte werden allerdings nicht automatisch erfasst und verwaltet, sondern per Hand in ein Papierformular eingetragen. Ähnliche analoge Vorgänge finden sich an vielen Stellen: Von der Warenannahme werden wichtige Unterlagen wie Lieferscheine, Speditionspapiere oder Rechnungen papierbasiert in die Buchhaltung gegeben, wo sie gescannt und abgelegt werden. Erst beim Verlassen des Versandlagers werden die fertigen Produkte mittels Rechnung und Lieferschein wieder elektronisch erfasst. „Wenn wir beispielsweise genau wissen wollen, welche Mengen von welchem Rohstoff wir auf Lager halten, dann müssen wir tatsächlich im jeweiligen Lager nachschauen“, erklärt Dorothee Berger. „Auch die für die Zertifizierung nach Biostandards wichtige durchgehende Dokumentation, chargengenaue Auslieferung und hohe Transparenz in der Nachverfolgbarkeit sind derzeit schwierig zu leisten.“ 

Dorothee Berger in der Marmeladenküche; Quelle: BMWi / Stefan Schacher

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Doch das ist nicht mehr lange so: „Ich habe eine klare Vision. Unser Rohstoff- und Warenfluss wird digital überwachbar und steuerbar sein. Die Planung soll auf zuverlässige Daten aus dem Lager in Echtzeit zugreifen können. Das optimiert nicht nur unsere Prozesse, sondern ist auch wichtig für die Zertifizierung nach Biostandards.“ Wertvolle Unterstützung bei der Verwirklichung ihrer Vision holte sich Dorothee Berger beim Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Berlin. Die Umsetzung muss allerdings noch bis zum Spätherbst warten – in der warmen Jahreszeit erfordert der Sanddorn die volle Tatkraft des Mutter- und Tochter-Gespanns.