Heinz-Werner Hölscher

© Heinz-Werner Hölscher (privat)

Das Interview mit Heinz-Werner Hölscher führten Annette Hillebrand und Julia Wielgosch, Geschäftsstelle Stadt.Land.Digital

Herr Hölscher, gemeinsam mit Ludger Hemker von Items haben Sie die Initiative zur Gründung des Vereins Civitas Connect im Jahr 2020 gestartet und sind rasch gewachsen. Was geht in einer Smart City/Smart Region gemeinsam besser?

Civitas Connect ist mehr als nur Vernetzung. Wir betreiben gemeinsam mit unseren Mitgliedern eine Kooperationsplattform, um Erfahrungen zu teilen und gemeinsame Projekte anzustoßen und Lösungen zu entwickeln. 18 Versorgungsunternehmen, Wasserversorger und Netzbetreiber haben sich Anfang 2020 getroffen, um beim Thema Digitalisierung von Stadt und Region voneinander zu lernen und sich gegenseitig bei der Umsetzung zu unterstützen.
Wir sind rasch im Raum Niedersachsen, nördliches Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gewachsen. Uns eint das gemeinsame Ziel, Smart-City-Anwendungen im Bereich der Daseinsvorsorge aus der „Powerpoint-Welt“ in die reale Welt zu übertragen. Durch Erfahrungsaustausch und konkrete gegenseitige Unterstützung in Projekten lernen wir voneinander. Heute gehören bereits über 30 kommunale Unternehmen zu Civitas Connect. Auch die ersten Städte wie Bielefeld und Münster sind dabei.

Wie sieht die Zusammenarbeit der Mitglieder konkret aus?

Die digitale Infrastruktur ist die Basis und der Türöffner für Digitalisierung und smarte Anwendungen in Stadt und Region. Kommunale Infrastrukturbetreiber sind die natürlichen Treiber für diese Aufgabe, kennen den Wissens- und Erfahrungsaustausch untereinander bereits aus ihrer Historie und sind somit auch bei der Entwicklung von Lösungen beispielsweise im Internet der Dinge für Kooperationen aufgeschlossen. In über 30 Projektteams arbeiten derzeit knapp 200 Mitarbeiter*innen aus den beteiligten Versorgungsunternehmen mit. So bündeln wir ganz konkret Forschungs- und Entwicklungserfahrung und tragen zum Wissenstransfer zwischen den Mitgliedern bei. Gemeinsam mit den kommunalen Anteilseignern setzen die Versorgungsunternehmen die Anwendungen vor Ort um. Civitas Connect dient als die nicht kommerzielle Plattform für diese Kooperation. In enger Abstimmung mit den Verbänden, wie dem VKU - Verband kommunaler Unternehmen, aber auch mit Initiativen wie Stadt.Land.Digital wollen wir einen Beitrag leisten, um Smart City/Smart Region mit Leben zu füllen.

Welche Projekte der Civitas-Connect-Partner sind auch beispielhaft für andere Regionen?

Zusammenarbeit in Digitalisierungsprojekten macht Sinn, sie ist sogar essentiell. Die Mischung von kleinen und größeren Unternehmen bei Civitas Connect ist ideal, um neue Projekte anzugehen, voneinander zu lernen und die Diversität der relevanten Themen abzudecken. So sind nahezu alle Projekte übertragbar auf andere Regionen. Beispielsweise haben sich sechs Stadtwerke aus dem Kreis Borken zusammengetan, um ein kreisweites LoRaWAN-Netz aufzubauen. Einer allein hätte das nicht geschafft, die Kooperation war die Voraussetzung, um das Netz aufbauen zu können.

Ergänzend zu vielen anderen Technologien bietet u.a. LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) eine kostengünstige, niedrigschwellige Technologieoption für das Messen, Steuern und Regeln in vielen Anwendungsfällen. Es ist daher auch für Kooperationen ein ideales Einstiegsthema. Beispielsweise konnten wir für Osnabrück in viereinhalb Monaten für rund 70.000 Euro ein flächendeckendes LoRaWAN-Netz aufbauen. Für eine Stadt mit 160.000 Einwohnern sind das sehr überschaubare Einstiegsinvestitionskosten. Auf Basis dieses LoRaWAN Netzes können erste Vorteile einer Digitalisierung erlebbar gemacht werden: Die SWO überwacht damit beispielsweise abflusslose Gruben, Pegelstände von Brunnen oder Türkontakte in Stromnetzstationen und hat auf Anforderung der Stadt Osnabrück eine vollautomatisierte Verkehrszählung mittels Infrarotkameras für eine umweltsensitive Ampelschaltung realisiert. Ergänzend dazu passt auch das Spektrum der Umweltsensorik – vom Grundwasserpegel über Hochwassererkennung oder Wetterstationen. An Anwendungsfällen und Ideen mangelt es nicht.

Die Herausforderung ist es, von der Idee zu einer produktiv nutzbaren Lösung zu kommen. Genau bei dieser Transferleistung setzt der Verein an. Wir überlegen gemeinsam, wie man Projekte lokal umsetzen kann und welche Software, Werkzeuge und Sensoren sinnvoll sind.

Um das alles zu realisieren, hat Civitas Connect als Verein zwei Grundlagen für Kooperationen geschaffen: Zum Einen eine umfassende Datenbank für zum Beispiel Sensorik zum Messen, Steuern und Regeln im Bereich LoRaWAN. Die Mitglieder bewerten in der Datenbank die unterschiedliche Sensortechnik und teilen so ihre Erfahrungen.

Zum Zweiten finden unsere Mitglieder auf unserem Online-Portal alle erarbeiteten Anwendungsbeispiele und können in alle laufenden Arbeitsgruppen hineinschauen. Die Lösungen und Geschäftsmodelle stehen allen Mitgliedern kostenlos samt Ansprechpartnern zur Verfügung. Kommerzielle Anbieter von Sensorik oder Software sind übrigens nicht Mitglieder des Vereins, nur Anwender können Mitglied werden.

Welche Ziele haben die Initiatoren und Mitglieder von Civitas Connect für das Jahr 2021?

Zukunftsthemen sind für uns unter anderem auch die Zusammenarbeit mit den Verbänden und anderen Branchenkooperation, wie der 450 MHz-Versorger-Allianz. Die digitale Daseinsvorsorge lässt sich nicht auf eine Technologie reduzieren. Auch infrastrukturnahe Themen, wie zu Urban Data Plattformen, starten dieses Jahr. Darüber hinaus bauen wir zurzeit ein Fördermanagement auf, planen Einkaufskooperation und fangen an, gezielt die Forschung in Arbeitsgruppen zu integrieren.

Natürlich wollen wir in diesem Jahr noch weiter wachsen, auch in andere deutsche Regionen hinein. Gern heißen wir weitere Versorgungsunternehmen sowie Städte, Gemeinden und Kreise als Mitglieder willkommen.

Mit wem können Interessenten bei Civitas Connect e.V. Kontakt aufnehmen?

Entweder mit mir, dem Vorstandsvorsitzenden von Civitas Connect, oder mit unserer Geschäftsleitung, die Ralf Leufkes und Lea Preis von der items GmbH übernommen haben. Sie sind unter +49 251 20 83-10 00 telefonisch zu erreichen. Im Netz finden Sie uns unter www.civitasconnect.digital

Zur Person
Heinz-Werner Hölscher ist Geschäftsführer der SWO Netz, einer 100prozentigen Tochter der Stadtwerke Osnabrück, die sich im Eigentum der niedersächsischen Stadt Osnabrück befindet. Er ist somit verantwortlich für die Infrastruktur: Strom, Gas, Wasser, Entwässerung, Straßenbeleuchtung und Telekommunikation. In Personalunion ist er Mitinitiator und Vorstandsvorsitzender der Civitas Connect e.V., einer Kooperationsplattform für kommunale Unternehmen, gegründet im Jahr 2019.