Titelbild Präsi KI

© Stadt Heilbronn

Das Interview führten Annette Hillebrand und Marina Happ, Geschäftsstelle Stadt.Land.Digital

Was leistet Künstliche Intelligenz bereits in der Stadtverwaltung Heilbronn?

Thomas Laue: Künstliche Intelligenz wird bei uns bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Dabei ist sie oftmals in Hintergrundprozesse integriert: Sei es bei der Datenaufbereitung, Datenanalyse oder der Bereitstellung von Ergebnissen. In mehreren Reallaboren experimentieren wir zudem mit Künstlicher Intelligenz. So erproben wir beispielsweise den Einsatz von Avataren. Diese künstlichen Figuren können künftig Digitalisierungsthemen für die Bürgerinnen und Bürger erklären (sogar mehrsprachig) und gleichzeitig Mitarbeitende bei der Herstellung des visuellen Schulungs- und Informationsmaterials entlasten.

Das größte und wichtigste Projekt zum Einsatz Künstlicher Intelligenz, auf das wir auch besonders stolz sind, befindet sich im Heilbronner Stadtarchiv. Dort wird Künstliche Intelligenz zur Fotoerschließung genutzt. Ein KI-System versieht den digitalen Fotobestand mit aussagekräftigen Schlagworten und macht Fotos auf diese Weise besser recherchierbar. KI ist damit ein wichtiges Element der Heilbronner Digitalisierungsstrategie, die wir seit 2019 verfolgen.

Mit welchen Partnern arbeiten Sie in dem Projekt „KI-gestützte Fotoerschließung im Heilbronner Stadtarchiv“ zusammen? Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?

Miriam Eberlein: Das Softwareunternehmen fuenfsieben programmierte vor rund 20 Jahren das Heilbronner Erschließungs- und Suchsystem, kurz genannt HEUSS, in dem unser gesamtes Archivgut, auch unsere digitalisierten Fotos, verzeichnet werden. Die Abkürzung erinnert übrigens bewusst auch an den berühmten Heilbronner Ehrenbürger Theodor Heuss. Das Heilbronner Stadtarchiv war damit bundesweit eines der ersten Archive, welches seine verzeichneten Bestände inklusive Fotos online recherchierbar gemacht hat. Das bot eine gute Basis für die Umsetzung unseres innovativen KI-Projekts. Das Softwareunternehmen fuenfsieben nahm die erforderlichen Änderungen vor, um die Bilderkennungssoftware in die Datenbank zu integrieren. Das Start-up The Chainless stellte die KI-Software zur Bilderkennung bereit. Dieses Freiburger Start-up ist darauf spezialisiert, Bilderkennungssoftware so nutzerfreundlich wie möglich auszugestalten. Fachwissen über KI ist nicht nötig. Weiterer Vorteil ist, dass die Nutzung der Software weiterhin über die gewohnte Datenbank HEUSS erfolgt und so Mitarbeitende kein weiteres Programm erlernen müssen.

Welches Budget wurde für das Projekt bereitgestellt? Welche Fachleute und wie viele Personen sind in Ihrem Team?

Thomas Laue: Die Kosten umfassen rund 134.500 Euro. 50 Prozent dieser Kosten wurden im Kontext der Digitalisierungsstrategie digital@bw durch das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg gefördert. Nach der Förderbewilligung im Dezember 2019 haben wir im Januar 2020 das Projekt begonnen und fristgerecht innerhalb der vorgegebenen zehn Monate abgeschlossen. Dabei war insbesondere der starke politische Rückhalt ein zentraler Faktor für die erfolgreiche Projektumsetzung.

Miriam Eberlein: Wir sind ein kleines Team aus zwei Personen. Eine Fachangestellte für Medien und Informationsdienste und ich arbeiten in dem KI-Umsetzungsprojekt. Im Projektzeitraum hatten wir außerdem einen externen Projektmitarbeiter zur Vorbereitung von Bildmaterial engagiert.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz stieß sicherlich auch auf Bedenken. Wie sind Sie Vorbehalten vor Künstlicher Intelligenz begegnet? Wie wurde das entsprechende digitale Mindset in der Verwaltung geschaffen?

Miriam Eberlein: Die Mitarbeitenden hatten zunächst die Befürchtung, dass Künstliche Intelligenz ihre Arbeit vollständig ersetzt. Hier war Überzeugungsarbeit notwendig. Wir erklärten den Mitarbeitenden, dass ihre Stellen nicht wegfallen, sondern sich ihre Arbeit lediglich verändert. Anstatt Schlagworte in Textmasken einzugeben, kontrollieren die Mitarbeitenden nun die Vorschläge der Künstlichen Intelligenz und entscheiden, wie Unklarheiten oder Fehler behoben werden können. Außerdem bestanden datenschutzrechtliche Bedenken. Im Austausch mit dem städtischen Datenschutzbeauftragten wurde daher das bestehende Rechtekonzept für die Datenbank HEUSS auf den KI-Einsatz angepasst. Ein klar erkennbarer Vorteil ist, dass wir unsere Millionen von Datensätzen nach und nach erschließen können und auch große Bestände besser erfassen können. Beispielsweise konnten 14.000 Fotos aus dem Nachlass eines Pressefotografen, die bisher nur mit einem Titelstichwort erfasst waren, durch die KI zusätzlich verschlagwortet werden.

Thomas Laue: Das Projekt zeigt, dass Künstliche Intelligenz keine grundsätzlich disruptive Technologie ist. Sie ersetzt nicht das Team, sondern ergänzt es. Sie kann in bestehende Prozesse integriert werden und erfordert keine größeren Umgestaltungsmaßnahmen. Das erhöht die Akzeptanz. Von einem digitalen Mindset kann jedoch noch nicht die Rede sein. Das KI-Projekt im Stadtarchiv dient uns vielmehr als positives Beispiel, um ein solches Mindset zu entwickeln.

Einblick in die Datenbank HEUSS

© Stadtarchiv Heilbronn/B. Kimmerle

Was raten Sie anderen Kommunen, die die Vorteile von Künstlicher Intelligenz erschließen möchten?

Miriam Eberlein: Wagen Sie sich an Künstliche Intelligenz und trauen Sie sich auch, Start-ups zu beauftragen. Diese kennen sich mit den innovativen Technologien gut aus und gehen flexibel auf Änderungswünsche ein.

Thomas Laue: Es klingt oftmals so, als seien Start-ups erst seit Kurzem mit ihren Produkten auf dem Markt und hätten keine Erfahrungen oder Referenzen. Das ist aber nicht der Fall. Das Start-up The Chainless konnte bereits Erfahrungen vorweisen und war in der Auftragsbearbeitung äußerst flexibel. Das gibt Sicherheit, auch wenn sich Projektparameter schnell ändern.

Mit dem Onlinezugangsgesetz werden Verwaltungsleistungen zunehmend digitalisiert. Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz dabei spielen?

Tomas Laue: Künstliche Intelligenz wird die Zielerreichung, 575 kommunale Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 online anzubieten, nicht mehr retten. Künstliche Intelligenz ist mittelfristig jedoch ein nützliches Instrument, um die Verwaltungsdigitalisierung zu gestalten. Sie kann von der Heranführung an einen Verwaltungsvorgang - beispielsweise mithilfe eines Chatbots - bis hin zum Datenaustausch verschiedene Fachsysteme unterstützen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in weiteren Bereichen geplant?

Miriam Eberlein: Wir werden im Stadtarchiv die Bilderkennung weiter ausbauen, sodass die KI-Anwendung mehr als 1.500 Heilbronner Persönlichkeiten und 200 stadtbildprägende Gebäude automatisiert erkennt und Fotos mit diesen Metadaten versieht. Außerdem möchten wir die Ergonomie verbessern, sodass beispielsweise neue Personen einfacher zum vorhandenen KI-Modell hinzugefügt werden können.

Thomas Laue: Den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sehen wir auch im Bereich der E-Akte. So kann sie genutzt werden, um Dokumentinhalte im digitalen Posteingang zu erfassen, die entsprechenden Metadaten anzulegen und in ein Dokumentenmanagementsystem oder ein Fachverfahren zu überführen. Dieses Vorhaben wird in Heilbronn bereits erprobt. Eine eigentliche KI-Strategie haben wir noch nicht. In unserer Stadt leben wir aber in einem Umfeld, in dem das Thema intensiv diskutiert wird. Wir verzeichnen durch den in Heilbronn entstehenden Innovationspark KI eine starke Ansiedlung von Forschungseinrichtungen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Diese widmen sich verstärkt dem Nutzen von KI im Kontext der Nachhaltigkeit. Das zeigt, dass es vielseitige Einsatzgebiete gibt. Wir sind daher überzeugt, dass über kurz oder lang Künstliche Intelligenz in allen Bereichen der Stadtverwaltung zum Einsatz kommen wird.

Link zur Datenbank HEUSS: https://archivsuche.heilbronn.de/