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Flexibus-wirtschaftliche Alternative im ÖPNV Anita Müller

Einleitung

Intelligente Regionen Deutschlands

Beschreibung

Durch den seit Mitte der 50-iger Jahre anhaltenden Trend der Automobilisierung ist im Freistaat Bayern zwischenzeitlich ein Motorisierungsgrad von bis zu 600 Pkw auf 1.000 Einwohner feststellbar. Daraus resultiert eine „Vollmotorisierung“ mit der Folge, dass der Marktanteil des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im ländlichen Raum bei den „freiwillig fahrenden“ auf 1% bis 2% der Gesamtmobilität abgefallen ist.
Die Landkreise und kreisfreien Städte als Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs sind gehalten, bei diesen Gegebenheiten dennoch einen funktionierenden, andererseits aber auch möglichst wirtschaftlichen Nahverkehr zu gestalten.

Eher unproblematisch ist es, bei einer derart grundsätzlich nachfrageschwachen Situation ein Grundversorgungsnetz im Linienverkehr mit Angeboten in den Hauptverkehrszeiten morgens, mittags und am Abend anzubieten. Zum großen Teil wird auf den im Rahmen der Grundversorgung angebotenen Linienverkehren auch der Schülerverkehr abgewickelt, somit sind die Busse ausgelastet. Schwieriger ist es, im ländlichen Raum den Bedarf an Fahrten, die über das Grundangebot hinausgehen, zu bündeln und durch ein Angebot im öffentlichen Personennahverkehr abzudecken.

Konzept FLEXIBUS
Bei 120.000 Einwohnern und einem Fahrzeugbestand von inzwischen 120.000 Kraftfahrzeugen, davon 75.144 Pkw und 8.804 Krafträdern, war auch der Landkreis Günzburg gefordert, für die (wenigen) Bedarfsfahrten außerhalb der durch das Buslinienangebot abgedeckten Zeiten eine Lösung zu finden. Er ist dabei einen neuen Weg gegangen und bietet inzwischen landkreisweit den FLEXIBUS an.

Das Konzept des FLEXIBUS wurde vom Busunternehmen BBS Schapfl KG in Krumbach entwickelt: In einem festgelegten Gebiet rund um ein Klein- bzw. Mittelzentrum werden zusätzlich zu den Linienfahrten im ÖPNV Fahrten durch einen Kleinbus (8-Sitzer), den FLEXIBUS, angeboten. Diese können von registrierten Nutzern über ein Call-Center bis zu einer halben Stunde vor der gewünschten Fahrt gebucht werden. Die Fahrten erfolgen flächenmäßig im festgelegten Gebiet, nicht korrekt auf einer Linie. Ziel des FLEXIBUS ist es, Kurzstrecken im Einzugsbereichs eines Klein- bzw. Mittelzentrums, also Wege zum Einkauf, Arzt, Physiotherapie, Musikunterricht etc. abzudecken. Zugleich kann der FLEXIBUS als Zubringer zum Linienverkehr und zur Bahn dienen. Für Zubringerfahrten gibt es auch die Zusicherung, dass die gewünschte Bahn- bzw. Busverbindung erreicht wird. Ein entsprechendes EDV-System des Call-Centers bündelt die Fahrtwünsche. Ggf. müssen vom Fahrgast somit Umwege zum gewünschten Ziel in Kauf genommen werden. Bei den insgesamt kurzen Fahrtstrecken im FLEXIBUS ist dies aber kein Problem.

Für eine bessere Akzeptanz wurden zusätzlich eine große Anzahl FLEXIBUS-Haltestellen geschaffen: Der Weg zur Haltestelle ist für den Fahrgast in der Regel nicht weiter als 100 m. Die Haltestellen wurden mit einem FLEXIBUS-Haltestellenschild ausgeschildert. Da nur einzelne Personen zu- /aussteigen, erfolgte keine bauliche Herstellung von Haltestellen.

Durch eine geschickte Einbindung von Handel, Gewerbe und Behörden haben die Fahrgäste die Möglichkeit, bei sog. „Partnern des FLEXIBUS“ im Verkehrsgebiet Ihre Fahrtwünsche kostenfrei aufzugeben. Die „Partner des FLEXIBUS“ sind gekennzeichnet und verstärken die Marketingaktivitäten.

Umgesetzt werden konnte das FLEXIBUS-Konzept insbesondere auch, weil in dem jeweils festgelegten FLEXIBUS-Knoten alle Verkehrsunternehmen, die Inhaber einer Linienkonzession nach § 42 PBefG sind, kooperiert und sich damit einverstanden erklärt haben, dass das Zusatzangebot eingeführt wird. Rechtlich ist der FLEXIBUS kein eigener Linienverkehr, sondern lediglich eine Ergänzung im Fahrplanangebot der einzelnen Linien.


Entwicklung FLEXIBUS im Landkreis Günzburg
Erstmals eingeführt wurde der FLEXIBUS im Bereich der Stadt Krumbach und der rund um Krumbach gelegenen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft zum 01.07.2009 und hatte gleich einen durchschlagenden Erfolg. Bereits im ersten halben Jahr waren allein im Raum Krumbach 11.426 Fahrgäste zu verzeichnen.

Zum 01.03.2011 wurde der FLEXIBUS Krumbach um weitere Gemeinden erweitert. Zum 08.10.2011 wurde im Bereich der Stadt Burgau und Verwaltungsgemeinschaft Haldenwang ein weiterer FLEXIBUS-Knoten in Betrieb genommen, auch dort mit großem Erfolg.

Die Begeisterung führte dazu, dass der FLEXIBUS im Jahr 2012 im Landkreis Günzburg flächendeckend eingerichtet wurde, insgesamt mit 6 FLEXIBUS-Knoten. Der Freistaat Bayern unterstützte die landkreisweit flächendeckende Einrichtung des FLEXIBUS für die ersten drei Jahre als Pilotprojekt mit einer Förderung in Höhe von 70 %. Den Restbetrag teilten sich der Landkreis Günzburg und die Gemeinden (je 15 % des Gesamtdefizits).

Wirtschaftlichkeit
Das Landratsamt Günzburg hatte im Rahmen der flächendeckenden Einführung des FLEXIBUS ein voraussichtliches jährliches Gesamtdefizit von ca. 700.000 Euro bei 120.000 Einwohnern, also 6,00 Euro pro Einwohner, prognostiziert. Nach drei Jahren Betriebszeit, davon zwei Jahre vollständig flächendeckend im Landkreis, ist festzustellen, dass die Prognose zutrifft. Das auszugleichende Defizit liegt in diesem Rahmen.
Diesen Ausgaben steht folgendes Angebot gegenüber:

  • Fahrtmöglichkeit täglich von 05:00/06:00 bis 20:00/21:00 Uhr, durchgehend
  • am Wochenende (Freitag und Samstag) verlängerte Fahrtzeit bis 22:00/24:00 Uhr
  • Buchungsmöglichkeit der Fahrt bis ca. 30 Minuten vor der Abfahrt
  • Haltestelle vor der Haustür

Das Unternehmen BBS Schapfl KG hat bezogen auf den FLEXIBUS-Knoten Krumbach einen Vergleich angestellt mit einem gebundenen Linienbetrieb im 30-Minuten-Takt. Um den Knoten zu erschließen wäre es notwendig, ein 5-Linien-Netz einzurichten. Ein derartiger fester Linienbetrieb würde bei gleicher Betriebszeit ein Vielfaches der Kosten des FLEXIBUS aufwenden (Abb. 1 und 2). Vorteil eines fest eingerichteten Systems wäre natürlich, dass Fahrten auch spontan unternommen werden können, weil keine individuelle Fahrtbuchung erforderlich ist. Im Hinblick auf die verhältnismäßig niedrige Anzahl der Einwohner im ländlichen Raum, die durch ein 5-Linien-Netz ein Fahrtangebot erhalten, wäre aber der Aufwand für die Einrichtung eines solchen enorm und stünde nicht im Verhältnis.

Auslastung
Der FLEXIBUS im Landkreis Günzburg weist seit erstmaliger Inbetriebnahme im Jahr 2009 im Raum Krumbach nach der landkreisweiten Einführung im Jahr 2012 bisher durchgehend steigende Fahrgastzahlen auf. Im Jahr 2014 wurden 147.000 Fahrgäste mit dem FLEXIBUS befördert (Abb. 3).

Über das Call-Center, das die Buchungen der Einzelfahrten entgegennimmt, werden die Fahrwünsche soweit als möglich gebündelt, so dass möglichst mehrere Fahrgäste einen FLEXIBUS auf seiner Fahrt nutzen.
Ein Instrument zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Fahrzeugeinsatzes ist darüber hinaus die nachfrageorientierte Ausführungsplanung. Die Verkehrsunternehmen disponieren tagesaktuell entsprechend dem voraussichtlich zu erwartenden Bedarf die Fahrzeuge und Personale, deren zeitliche Verfügbarkeit als Grundlage der Fahrtwunschannahme Verwendung findet (Abb.4). Damit wird sichergestellt, dass die eingesetzten Verkehrsmittel möglichst gut und nachfragegerecht ausgelastet sind. Die zugrunde liegenden Prognosen werden mindestens wöchentlich überprüft und von den Verkehrsunternehmen flexibel umgesetzt.

Vorschau
Der Landkreis Günzburg beabsichtigt, auch nach Ablauf der Pilotprojekt-Phase den FLEXIBUS weiter beizubehalten. Die Ausgaben dafür werden als gute Investition angesehen. Die Bürger wollen ihren FLEXIBUS und können ihn sich nicht mehr wegdenken. Der Freistaat Bayern hat eine weitere staatliche Förderung zugesagt.

Es gibt noch einen Optimierungsbedarf am FLEXIBUS-System, der derzeit umgesetzt wird. Es handelt sich dabei jedoch nur um geringfügige Ergänzungen. Fest steht bereits, dass die Gemeinden nicht mehr in die Finanzierung eingebunden werden. Der Landkreis übernimmt die Ausgaben für den FLEXIBUS vollständig, soweit es keine staatlichen Fördermittel gibt.

Auf den Straßen im Landkreis Günzburg wird man den FLEXIBUS in den nächsten Jahren jedenfalls weiterhin fleißig fahren sehen.

bedarfsverkehr, flächenbetrieb, ländlicher raum, flexible bedienungsform