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WanderVis - ein Tool zur explorativen Analyse von Bevölkerungsbewegungen in Städten Martin Memmel

Einleitung

Wettbewerb "Stadt.Land.Digital"

Was war/ist die Ausgangssituation?

Soziodemografische Bevölkerungsdaten sind von entscheidender Bedeutung für die Steuerung einer Vielzahl kommunaler Aufgaben. Nur bei Kenntnis der aktuellen Situation und sich abzeichnender Veränderungen können seitens einer Verwaltung Ressourcen sinnvoll und bedarfsgerecht eingesetzt sowie nachhaltige Entscheidungen getroffen werden. Dies gilt insbesondere für Veränderungen wie den demografischen Wandel oder den Zuzug von Geflüchteten. Gleichzeitig gibt es seitens der Bürger einen zunehmenden
Anspruch auf Transparenz.

Jede Kommune verfügt über eine große Menge digital repräsentierter Daten wie etwa Alter, Geschlecht, Familienstand oder Herkunft ihrer Einwohner. Die reine Existenz solcher Daten reicht jedoch für eine sinnvolle Nutzung in Arbeitsprozessen bei Weitem nicht aus. Es müssen darüber hinaus folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Die Existenz der Daten muss den Akteuren bekannt sein;
  2. die Zugreifbarkeit der Daten muss gewährleistet sein (unter Beachtung datenschutzrechtlicher Aspekte);
  3. die Daten müssen aktuell und korrekt sein;
  4. Abfragen müssen auch ohne tiefer gehende technische Expertise möglich sein.

Zudem sollte die Einbindung kontinuierlich aktualisierter Daten wie auch die Verbindung mit anderen Datenquellen möglich sein, um den sich ständig ändernden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. In der Realität stellt sich die Situation aber oft völlig anders dar: Die Daten sind verteilt in verschiedensten Systemen und die Möglichkeit des Zugriffs nur wenigen Experten bekannt. Eine intuitiv und für vielfältige Fragestellungen nutzbare Benutzeroberfläche ist ebenfalls selten vorhanden.

Was war/ist das Projekt/die Strategie?

In dem gemeinsamen Projekt der Stadtverwaltung Kaiserslautern, der Hochschule Mannheim und dem Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) wurde ein Tool zur Visualisierung von Bevölkerungsbewegungen in Kaiserslautern realisiert. Neben Umzügen im Stadtgebiet werden auch Zu- bzw. Wegzüge in Kaiserslautern dargestellt. Hierbei wurde zudem eine Referenzarchitektur zur Verwaltung und zum Zugriff auf statistische Bevölkerungsdaten entwickelt, die als Basis für zahlreiche Anwendungen im gegebenen Problemkontext nutzbar ist. Datenvisualisierung soll hierbei sowohl spezifische Fragen visuell beantworten als auch die Erkundung von Daten zulassen und durch visuelle Muster tiefer gehende Erkenntnisse ermöglichen.

Ziele des Projekts waren ein Überblick über Visualisierungsmöglichkeiten zu bekommen, vielfältige Ideen zur Darstellung von Bevölkerungsbewegungsdaten zu diskutieren und einen ersten interaktiven Prototyp zu entwickeln und informell zu evaluieren. Dies erfolgte unter der Leitung von Prof. Dr. Till Nagel an der Hochschule Mannheim im Rahmen des interdisziplinären Kurses „Angewandtes Projekt: Visualisierung”, der Forschendes Lernen als Lehrform einsetzt. In diesem entwickeln Studierende in Kleingruppe von sechs bis zwölf Kursteilnehmenden aus Informatik und Gestaltung ein Visualisierungssystem als interaktiven Prototypen. Vertreter der Stadt Kaiserslautern sowie des DFKI besuchten den Kurs und gaben mittels Impulsvorträgen und in Ideation-Workshops Input für das Thema. Im Laufe des iterativen Entwurfsprozesses wurde basierend auf den Anforderungen und den Diskussionen in den Workshops unter Berücksichtigung der Rechercheergebnisse und Best Practices eine Reihe von Fragen identifiziert, die das Zielsystem unterstützen sollten. Diese reichten von einfachen wie „In welche Ortsbezirke ziehen besonders viele Personen?” über mittlere wie „Aus welchen räumlichen Regionen ziehen proportional zur Einwohnerzahl viele Menschen weg?” bis hin zu komplexeren Fragen, die Zusammenhänge untersuchen, wie „Aus welchen Ländern stammen Personen, die im gewählten Zeitraum außergewöhnlich hohe Zu- und Wegzugszahlen aufweisen?”. Das web-basierte System richtet sich an Nutzerinnen und Nutzer in einem professionellen Umfeld und soll auf gängigen Desktop-Rechnern verwendet werden können.

Für die Basisarchitektur stand das Ziel im Mittelpunkt, eine generische und unabhängig vom konkreten Anwendungsfall nachhaltig nutzbare Datenhaltung mit vielfältigen Abfragemöglichkeiten insbesondere für räumlich-zeitliche Fragestellungen zu realisieren. Aus technischer Perspektive müssen daher sowohl eine Integrierbarkeit in (existierende) Infrastrukturen über adäquate Schnittstellen, die Fähigkeit zum Umgang auch mit sehr großen Datenmengen, die Möglichkeit zum sukzessiven Ergänzen von Daten als auch eine Unterstützung raum-zeitlicher Abfragen gewährleistet sein. Für die nachhaltige Nutzbarkeit sollen die eingesetzten Technologien auch zukunftig weiter gepflegt werden, um auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren zu können. Dementsprechend wurde vor allem auf Open-Source-Technologien gesetzt, die von einer ausreichend großen Community entwickelt werden. Dies hat finanzielle Vorteile hinsichtlich Lizenzgebühren und gewährleistet vor allem eine gewisse Unabhängigkeit der handelnden Akteure.

Im Projekt wurde ein funktionsfähiger Prototyp entwickelt, der die Bevölkerungsdaten visualisiert und interaktiv erkundbar macht. Hierbei wurden die KOSIS-Daten durch Löschung personengebundener Daten und gröbere Granularität, etwa die räumliche Zusammenfassung auf statistische Bezirke, anonymisiert. Weitere Funktionalitäten wurden als Mock-ups durchgestaltet, die nicht vollständig lauffähig sind, aber geeignet, um bereits Feedback von späteren Nutzerinnen und Nutzern zu sammeln.

Der WanderVis-Prototyp besteht aus verschiedenen miteinander verknüpften Visualisierungskomponenten. Die Hauptsicht ist eine sortier- und filterbare Matrix, in der Zu- und Wegzüge von Personen dargestellt werden. Vorrangiges Ziel hierbei war es, trotz der Vielzahl an abgebildeten Daten eine visuell niederkomplexe Darstellung zu verwenden. Die bivariaten Balken in jeder Zelle, die Visualisierungsglyphen, stellen die Bewegungen von Personen – mit der Staatsangehörigkeit (der Spalte) – aus dem und in den Ortsbezirk Kaiserslauterns (der Zeile) dar. Die Darstellung kann von absolut zu proportional geschaltet werden. Eine Auswahl an Metainformationen wie Einwohneranzahl oder Bewegungssaldo der Länder und Ortsbezirke werden als Balkendiagramme in den Marginalien angezeigt. Nutzerinnen und Nutzer können die Länder und Ortsbezirke nach diesen Kriterien sortieren, so dass sämtliche Glyphen in der Matrix neu angeordnet und weitere Erkenntnisse ermöglicht werden. Durch Auswahl einer Zelle können Detailinformationen zu der zugehörigen Land-/Ortsbezirk-Verbindung abgerufen werden. Bei Klick auf die Zelle wird eine weitere Sicht eingeblendet, die die Bewegungen von Personen einer Staatsangehörigkeit in der gesamten Stadt darstellen. Hierbei werden die Glyphen in einer Tile Grid Map angeordnet, in der eine räumliche Struktur erhalten bleibt, ohne dass unterschiedlich große Bezirke die Lesbarkeit beeinflussen. So werden übergreifende Bewegungscharakteristiken im urbanen Raum erkennbar.

Eine Übersicht über die Anwendung ist hier zu finden: https://infovis-mannheim.de/wandervis/

Welchem Anwendungssektor ordnen Sie ihren Beitrag zu?

Verwaltung, Bevölkerungsdaten, Zu- und Abwanderung, Datenanalyse und -visualisierung

Welchen Mehrwert bietet das Projekt für die Bevölkerung?

  1. Wissen statt Bauchgefühl – klare Zahlen und Fakten statt Gerüchten! Das Tool kann zum einen eingesetzt werden, um den Bürgern datengestützte Erkenntnisse der mittels der Visualisierungen zu kommunizieren. Zum anderen können besser informierte Entscheidungsträger auch bessere Entscheidungen treffen.
  2. Kommunen sparen Geld, weil sie WanderVis bundesweit nutzen können ohne wertvolle Ressourcen für Eigenentwicklungen auszugeben.

Wie sah/sieht der Projektzeitplan und Finanzierungsbedarf aus?

Aktuell wird das im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Hochschule Mannheim in Kooperation mit der Stadtverwaltung Kaiserslautern und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) initiierte Projekt wegen fehlender Finanzierung nicht fortgesetzt. Um den Prototyp als Produktivsystem innerhalb der Stadtverwaltung Kaiserslautern nutzen zu können, wäre eine Finanzierung von etwa 50.000€ nötig.

visualisierung, transparenz, bevölkerungsdaten, datenanalyse, verwaltung, bürger