Angel Gurría und Sigmar Gabriel schütteln sich die Hand

OECD-Generalsekretär Angel Gurría (links) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (rechts)

© BMWi/Susanne Eriksson

Die digitale Revolution schreitet rasch voran. Sie hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Die Digitalisierung hält überall Einzug – in der Arbeitswelt wie im Privatleben. Smartphones sind in allen Lebensbereichen zu unseren Helfern geworden. Digitale 'clouds' ermöglichen den Zugang zu Daten von fast überall. Digitalisierte Fertigung wird in Zukunft der modus operandi in der Industrie sein. Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass die Zukunft digital sein wird – mit Herausforderungen, aber auch mit Chancen.

Angesichts der derzeitigen Gefahr niedrigen Wachstums der Weltwirtschaft mit sinkender Produktivität und gleichzeitig wachsender Ungleichheit sollte die G20 das Potenzial der Digitalisierung nutzen. Sie muss auf globaler Ebene eine Agenda für neue Quellen des Wachstums und der Beschäftigung erarbeiten.

Technologien wie 'cloud computing', 'big data' und künstliche Intelligenz werden der Motor für Innovation, Teilhabe und das Wohl der Bevölkerung sein. Sie werden zur Bewältigung politischer Herausforderungen in vielen Bereichen wie Gesundheit, Landwirtschaft, öffentliche Verwaltung, Steuern, Verkehr, Bildung und Umwelt beitragen. Wir müssen vermeiden, dass die Kluft größer wird, was den Zugang zu und die Nutzung von digitalen Technologien angeht. Immer neue Innovationen und sinkende Preise sprechen jedoch dafür, dass die Kluft kleiner wird und die seit langem bestehenden Unterschiede beim globalen Zugang zu Informationen geringer werden.

Vor diesem Hintergrund wird die deutsche G20-Präsidentschaft den Schwerpunkt auf drei wesentliche Themen legen. Erstens: Um das Wachstumspotenzial der digitalen Wirtschaft erfolgreich nutzen zu können, ist ein preislich wettbewerbsfähiger Zugang zu qualitativ hochwertiger Kommunikationsinfrastruktur erforderlich. Er bildet die wichtigste Grundlage für Anwendungen und Dienstleistungen in der digitalen Wirtschaft. Die G20 kann einen Beitrag leisten, indem sie sich dazu verpflichtet, bis 2025 alle Privathaushalte und Unternehmen mit Breitband-Internet zu versorgen. Hierfür sind weitere öffentliche und private Investitionen notwendig. Wir müssen sicherstellen, dass lückenhafte oder nicht leistungsfähige digitale Infrastruktur nicht zu einem Hemmnis für Wachstum und gesellschaftliche Teilhabe wird.

Zweitens: Industrie 4.0 – die Digitalisierung der Fertigung – bedeutet den Eintritt in ein neues Zeitalter. Das erfordert verstärkte Anstrengungen bei Innovationen und F&D, eine starke Konzentration auf Wettbewerbspolitik einschließlich internationaler Zusammenarbeit im Bereich der Regulierung sowie gemeinsame internationale Anstrengungen auf dem Gebiet der Normung. Die Interoperabilität von Schnittstellen ist eine wesentliche Voraussetzung für Industrie 4.0 und das Internet der Dinge. Maschinen sollten grenzüberschreitend miteinander kommunizieren können, damit Unternehmen weiterhin global produzieren können. Ein belastbarer und diskriminierungsfreier Verwaltungsrahmen innerhalb der G20 würde Investoren dazu ermutigen, in qualitativ hochwertige digitale Produkte zu investieren und es KMU und Start-ups ermöglichen, sich auf die Digitalisierung zu konzentrieren.

Drittens: Die digitale Revolution erfordert darüber hinaus einen ungehinderten Informationsfluss bei gleichzeitiger Achtung der Privatsphäre. Das setzt Vertrauen in die Verlässlichkeit und Sicherheit von Netzen sowie den Schutz der Rechte von Verbrauchern voraus. All diese Ziele sollten von allen G20-Mitgliedstaaten gleichzeitig und gleichwertig umgesetzt werden. Angesichts der zunehmenden Erhebung und Analyse von großen Datenmengen ist es wichtig, sich mit den Gefahren dieser Datensammlung für die Privatsphäre zu befassen. Die Beschäftigung mit Sicherheitsrisiken wird zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anliegen. Zu diesem Zweck muss die G20 strategische Leitlinien erarbeiten, um den sicheren Schutz von persönlichen Daten grenzüberschreitend unter anderem durch klare und interoperable Rahmenbedingungen zu fördern, digitale Sicherheit unter anderem durch Maßnahmen im Bereich Sicherheitsrisiko-Management zu gewährleisten, und den Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft zu stärken.

Wir dürfen außerdem nicht aus den Augen verlieren, dass infolge der fortschreitenden Digitalisierung viele neue Märkte entstehen und Arbeitsplätze geschaffen werden, während andere Arbeitsplätze umgestaltet und neu ausgestattet werden müssen. Besonderes Augenmerk gilt dabei Personen mit geringer Qualifikation und ohne IT-Kenntnisse, für die der digitale Wandel eine besondere Herausforderung darstellt. Ohne besondere Anstrengungen für ihre Förderung werden sie möglicherweise nicht von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren. Zum Schutz dieser am wenigsten für den digitalen Wandel gewappneten Menschen müssen wir aktiv werden. Unsere Bildungssysteme und betriebliche Ausbildung müssen an diese Änderungen angepasst werden. Digitale Bildung bedeutet Orientierung und Selbstbestimmung in der digitalen Zukunft. Ohne diese Grundlage wird die Digitalisierung nicht funktionieren, weder in der Wirtschaft noch in der Gesellschaft. Es gibt in der Tat mehr als nur einen Weg zum digitalen Wandel unserer Wirtschaft, und wir müssen die Chancen nutzen und die Risiken bannen, damit alle profitieren. Zu diesem Zweck müssen wir den Zugang zur und die Teilhabe an der digitalen Wirtschaft für alle und in allen Ländern sicherstellen.

Deutschland will den digitalen Wandel fördern. Deshalb haben wir die digitale Agenda zu einem Schwerpunktthema unserer G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 gemacht – auf der Grundlage der vorangehenden chinesischen G20-Präsidentschaft. Die OECD verfolgt dasselbe Ziel. Sie startet gerade ein Querschnittsprojekt zu den Auswirkungen politischer Maßnahmen, die für den digitalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft notwendig sind. Auf dieser Grundlage können politische Entscheidungsträger die Digitalisierung besser gestalten und die darin steckenden Chancen für Wachstum und für das Wohl der Bevölkerung ergreifen.

Die OECD und die deutsche G20-Präsidentschaft teilen das Ziel, das gemeinsame das politische Handeln so konkret wie möglich anzulegen. Die Auftaktveranstaltung findet am 12. Januar 2017 mit der Konferenz “Key Issues for Digital Transformation in the G20” statt, zu der alle Akteure eingeladen sind. Ihr folgt die G20-Digitalministerkonferenz in Düsseldorf im April und der Gipfel der G20-Staats- und Regierungschefs in Hamburg im Juli.

Die G20 ist die Plattform für gemeinsam entwickelte Strategien, mit der wir die Zukunft gestalten können, um optimal vom technologischen Fortschritt zu profitieren. Digitalisierung ist eine globale Herausforderung, und deshalb müssen wir global agieren.

Quelle: Der Artikel erschien am 12. Januar 2017 in gekürzter Form im Handelsblatt