Bürgermeister Patrick Kunkel und Chief Digital Officer Jasmin Herborn aus Eltville am Rhein

© Stadt Eltville am Rhein

Das Interview führten Annette Hillebrand und Marina Happ, Geschäftsstelle Stadt.Land.Digital

Herr Kunkel, Sie sind bereits seit 2006 Bürgermeister der Stadt Eltville am Rhein. Was ist für Sie das Besondere an der Stadt Eltville und den Menschen, die dort leben und arbeiten?

Patrick Kunkel: Das Besondere an Eltville ist, dass es sich um eine sehr alte Siedlung handelt, die an einem Fluss liegt. Der Rhythmus des Rheins bestimmt seit vielen Jahrhunderten das Leben der Stadt. Aushängeschild der Stadt Eltville ist, neben dem Rhein, der Wein und der Wald. Das lockt viele Touristinnen und Touristen nach Eltville. Wie die Stadt Mainz ist auch Eltville eine Gutenbergstadt. Die Innovation des Buchdrucks hat Gutenberg hier etabliert und er hat hier seine einzige Ehrung zu Lebzeiten erfahren. Eltville profitiert zudem von der Nähe zur Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main. Das Rhein-Main-Gebiet ist ein großer Arbeitgeber in der Region. Zugleich übt die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main einen hohen Siedlungsdruck auf uns aus.

Noch vor einigen Jahren war die Stelle als Chief Digital Officer in den Kommunen kaum vorhanden. Nun stellen immer mehr Kommunen Chief Digital Officers ein. Was war der Anlass in Eltville die Stelle des Chief Digital Officers einzurichten?

Patrick Kunkel: Als das Thema Digitalisierung vor einigen Jahren in den Fokus rückte, haben wir uns entschlossen die Stelle des Chief Digital Officers einzurichten. Wir sind davon überzeugt, dass das Thema Digitalisierung kein Thema für sich ist, sondern dass die Digitalisierung an alle anderen Themenfelder anknüpft. Daher habe ich kein Amt für Digitalisierung eingerichtet, sondern mich dafür eingesetzt, dass eine Verantwortliche benannt wird, Frau Jasmin Herborn. Sie ist zentrale Ansprechpartnerin für das Thema Digitalisierung und bildet die Schnittstelle zwischen allen Ämtern der Gemeindeverwaltung. Sie überblickt aus Verwaltungssicht unsere kommunalen Aufgaben und treibt den Digitalisierungsprozess aktiv voran. Als vormalige Leiterin des Ordnungsamtes bringt sie Verwaltungserfahrung und Bürgernähe in die neue Aufgabe ein.


Frau Herborn, was sind Ihre Aufgaben als Chief Digital Officer?

Jasmin Herborn: Zu Beginn der Aufnahme meiner Stelle als Chief Digital Officer war meine zentrale Aufgabe den Status quo zu erfragen und festzulegen, welche Bereiche als Erstes digitalisiert werden sollten. Es reicht dabei nicht aus zu ermitteln, welche Leistungen von den Bürgerinnen und Bürgern am häufigsten genutzt werden, sondern ich musste überlegen, welche organisatorischen Schritte vorzunehmen sind. Dazu formulierten wir unsere Digitalisierungsstrategie als lebendiges Dokument. Denn uns wurde schnell bewusst, dass im laufenden Prozess weitere Digitalisierungsthemen aufkommen, die schnell und einfach in die Digitalisierungsstrategie einzubinden sind. Zudem haben wir nicht die personellen und finanziellen Ressourcen, um die Digitalisierungsstrategie als Hochglanzpapier bereitzustellen und darin zeitaufwändig und umständlich Änderungen vorzunehmen. Darüber hinaus bin ich immer mit den Fachleuten der einzelnen Fachbereiche im Austausch, um bei der Umsetzung ihrer Fachverfahren und Digitalisierungsprojekte zu unterstützen. Die Planung, Organisation, Koordination sowie Prüfung der Digitalisierungsfortschritte sind somit meine zentralen Aufgaben als Chief Digital Officer.


Wie haben Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ihrer Digitalisierungsstrategie überzeugt?

Jasmin Herborn: Im Jahr 2018 wurde bei uns eine vergleichende Prüfung zum Thema Digitalisierung durchgeführt. Da konnten wir sehen, welche Bereiche schnellstmöglich zu digitalisieren sind. Auf Grundlage dessen leiteten wir erste Maßnahmen ab, die wir im Rahmen einer Sitzung allen Beteiligten vorstellten. Wir informierten die Kolleginnen und Kollegen dabei sowohl über die Chancen als auch über die möglichen Probleme und den Mehraufwand, der sich aus der Digitalisierung ergeben kann. Während der Corona-Pandemie war übrigens der wichtigste Wunsch der Verwaltung, so rasch wie möglich ein Dokumentenmanagementsystem einzuführen. Da ist kaum noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Das Dokumentenmanagementsystem hat für uns jetzt Priorität.

Wichtig für die Akzeptanz ist, dass alle wissen und darauf vertrauen, dass wir sie transparent über die Digitalisierungsschritte informieren und sie auf den CDO bei möglichen Problemen und Fragen zukommen können. Vertrauen spielt hier eine wichtige Rolle. Chief Digital Officers sind die zentrale Anlaufstelle in der Verwaltung für Digitalisierungsthemen und müssen immer ansprechbar sein.


Was waren die wichtigsten Herausforderungen in der Digitalisierung und Stadtentwicklung und wie geht es jetzt während der Corona-Pandemie weiter?

Patrick Kunkel: Unsere derzeitige Herausforderung ist es, die Menschen durch die Corona-Pandemie zu führen. Wir sehen die Krise aber auch als Chance an. Einiges ist erst durch die Corona-Pandemie in Fahrt gekommen, wie beispielsweise das mobile Arbeiten von zu Hause. Das mobile Arbeiten werden wir sicherlich auch nach der Corona-Pandemie anbieten. Zudem ist das Verständnis für die Notwendigkeit des Digitalisierungsprozesses gewachsen.

Die Corona-Pandemie hat aber auch Teile des Digitalisierungsprozesses verlangsamt: Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten wir einige Digitalisierungsprojekte vorbereitet. Wir konnten die Digitalisierungsprojekte jedoch dann nicht zeitnah umsetzen, da neben den OZG-Vorgaben bis Ende 2022 die Corona-Pandemie die Nachfrage nach elektronischen Verwaltungsdienstleistungen enorm gesteigert hat. Die IT-Dienstleistungsunternehmen sind mit der Nachfrage überlastet. Somit erhielten wir kein zeitnahes Angebot und auch keine personelle Unterstützung bei der Einführung von IT-Dienstleistungen.


Haben Sie Fördermittel erhalten? Wie schätzen Sie den Ressourcenaufwand für eine Stadt Ihrer Größe ein, um eine Digitalisierungsstrategie zu planen und umzusetzen?

Jasmin Herborn: Die Digitalisierung der Verwaltung wird vom Land Hessen gefördert. Wir haben über das Förderprogramm: „Starke Heimat Hessen“ eine Förderung in Höhe von rund 38.500 Euro erhalten. Diese Mittel haben wir für den Kauf von Softwareausstattung und für kleinere Online-Module bestehender Fachanwendungen verwendet. Die Schwelle für die Zusage einer Förderung war zum Glück nicht zu hoch für uns. Es war lediglich ein Eigenanteil in Höhe von 25 Prozent durch unsere Kommune abzudecken.
Eine Förderung als Modellkommune ist für kleine Kommunen jedoch deutlich schwieriger zu erreichen. Kleine Kommunen haben oftmals nicht die personellen Ressourcen für zeitintensive Fördermittelanträge. Oftmals haben kleine Kommunen nicht einmal einen Verantwortlichen für Smart-City-Themen. Der anfallende Aufwand für eine Bewerbung als Modellkommune ist kaum von der Bevölkerungszahl bzw. Größe der Verwaltung abhängig.

Darüber hinaus stellt das Land Hessen den Kommunen die Fachanwendung Civento kostenlos zur Verfügung. Über die Plattform Civento können alle städtischen Leistungen online angeboten werden. Die Fachanwendung ist jedoch nicht selbsterklärend, sodass eine umfassende Schulung sowie Wissen in Prozessmanagement benötigt werden. Dadurch fallen Kosten für die Kommunen an. Die Kommunen müssen die Schulungen der Mitarbeitenden sowie 6.000 Euro jährlich pro Person für Fort- und Weiterbildungsworkshops bezahlen. Der Stadt Eltville entstanden so für die Schulungen der Kolleginnen und Kollegen sowie für die Inanspruchnahme der Servicepakete des Systems im Jahr 2021 Kosten in Höhe von rund 17.600 Euro.

Die ekom21 bietet zudem als ehemaliges kommunales Rechenzentrum in Hessen seit September 2020 eine Digitalisierungsberatung an. Dieses Angebot nahmen wir dankend an und hatten dort im April 2021 unseren ersten Beratungstermin. Das Angebot kommt allerdings für einige Kommunen deutlich zu spät, da bereits bis Ende 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen elektronisch angeboten werden müssen.


Wie ist es Ihnen gelungen, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen?

Patrick Kunkel: Politik ist nur so gut, wie die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern funktioniert. Daher haben wir die Mitdiskutierplattform mitgestalten.eltville.de aufgebaut. Die Mitdiskutierplattform nutzen wir, um die transparente und dauerhafte Kommunikation mit allen Interessierten zu fördern sowie die digitale Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Wir stellen über die Plattform beispielsweise Prozesse vor und jeder erhält die Möglichkeit, dazu Fragen zu stellen. Im Juli 2021 werden wir zudem über die Mitdiskutierplattform zwei Umfragen zu dem Online-Terminkalender sowie zu den Online-Angeboten im Meldewesen durchführen.


Was hätten Sie im Laufe des letzten Jahres am liebsten sofort digitalisiert?

Jasmin Herborn: Die Stadt Eltville war eine der ersten Kommunen, die im Zuge der Corona-Pandemie im März 2020 das Rathaus schließen musste und somit die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr vor Ort bearbeiten konnte. Daher hätten wir im letzten Jahr am liebsten den Terminkalender sofort digitalisiert. Der Online-Terminkalender hätte uns insbesondere im Sommer und Herbst 2020 eine enorme Arbeitserleichterung erbracht. Die Corona-Pandemie und die Kommunalwahl 2021 verzögerten jedoch die Einführung des Online-Terminkalenders, sodass wir insgesamt ein Jahr benötigten, um den Online-Terminkalender einzurichten. Seit Mai 2021 steht er nun den Mitarbeitenden und den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen zur Verfügung.


Kontakt:
Eltville am Rhein
Link zur Plattform für die Bürgerbeteiligung: Mitgestalten - Eltville am Rhein