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QuarZ – Quartier der Zukunft

Das Quartiers-Cockpit

© Stadtwerke Rüsselsheim GmbH

Ziel/Nutzen der Lösung

Das Projekt QuarZ – Quartier der Zukunft aus dem Programm Smart Service Welt II des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führt die Daten des zunehmend vernetzten urbanen Lebensraums in einer Plattform zusammen und macht sie damit für weitere Anwendungen nutzbar. Umgesetzt wird das Projekt in 115 Wohneinheiten im Horlache Park in Rüsselsheim. Das Ziel ist es, durch die Datenplattform einen Mehrwert für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers zu generieren und ihnen das Leben zu erleichtern. Für die kommunale Verwaltung und Unternehmen eröffnet sich außerdem die Möglichkeit, auf Basis dieser Daten neue Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten.

Lösungsbeschreibung

Das Projekt wird durch das Bundesministerium von Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Wettbewerbs Smart Service Welt II gefördert. Die gesamten Projektkosten belaufen sich auf 3,8 Millionen Euro, davon wurden 100.000 Euro dauerhaft in das Quartier investiert. Während der Projektlaufzeit wurden die entwickelten Dienste den Bewohnerinnen und Bewohnern kostenfrei zur Verfügung gestellt. Mit Abschluss des Projektes werden sie sukzessive kostenpflichtig. Die Stadtwerke Rüsselsheim möchten die urbane Datenplattform jedoch zukünftig kostenneutral anbieten und entwickeln dafür geeignete Geschäftsmodelle.
Die Infrastrukturinvestitionen beinhalten intelligente Strommesser (Smart Meter) für alle Wohnungen, WLAN im gesamten Quartier, Ladesäulen für Elektrofahrzeuge, Bodensensoren für das Smart Parking, einen Demoraum mit Smart-Home-Komponenten und eine Wetterstation.
Im Zentrum der Entwicklung steht eine Smart-City-Plattform, die es ermöglicht, Daten aufzunehmen, zu vernetzen und aufbereitet wieder zur Verfügung zu stellen. Über standardisierte Konnektoren lassen sich beliebige Smarte Dienste andocken, die dann den Endnutzenden zur Verfügung stehen. Die urbane Datenplattform ist eine Web-Applikation, welche die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers unter anderem über ein zur Verfügung gestelltes Tablet nutzen können. Das Quartiers-Cockpit bildet die Startseite, über welche die verschiedenen Dienste erreichbar sind und alle wesentlichen Daten auf einer Seite anzeigt.
Für jede Wohnungseinheit im Quartier der Zukunft wurde eine intelligente Messeinrichtung (Smart Meter) bereitgestellt. Sie besteht aus zwei Komponenten: einem elektrischen Zähler (mit Display und Datenspeicher für 24 Monate) und einem Kommunikationsmodul (Gateway) für die Datenübertragung. Die Verbrauchsdaten vom Strom können so aus der Ferne ausgelesen und übermittelt werden. Die Anwohnenden sehen ihre wichtigsten Verbrauchs- und Rechnungsdaten übersichtlich im Cockpit und können über die Smart Invoice ihre Energiekosten direkt einsehen und wissen, ob ihr aktueller Abschlag zu hoch oder ggf. zu niedrig ist. Außerdem sehen sie ihren Energieverbrauch im Vergleich zu einem Durchschnitt vergleichbarer Haushalte und bekommen Hinweise, wie sie zukünftig Energie sparen können. Eine Smart-Home-Zentrale (homee) kann auch in das Quartiers-Cockpit eingebunden und darüber gesteuert werden. Mit der installierten Wetterstation werden vor Ort umfangreiche Umweltdaten (u. a. Lärm, Niederschlag, solare Einstrahlung) gesammelt und im Quartiers-Cockpit aufbereitet, sodass sie beispielsweise für die Steuerung des Smart Homes verwendet werden können. Über ein spezielles Portal werden offene Daten eingesammelt und können von den Bewohnerinnen und Bewohnern eingesehen werden. Dabei werden Informationen zum Wetter oder zur Region zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden in dem Projekt intelligente Mobilitätslösungen getestet. Den Bewohnerinnen und Bewohnern steht eine Mobilitätsstation mit E-Carsharing während der Projektlaufzeit kostenlos zur Verfügung. Als Pilot wurden insgesamt 15 Parkplätze im Quartier mit intelligenten Sensoren ausgestattet. Diese ermitteln, ob auf einem der Parkplätze ein Fahrzeug steht. So ist also beispielsweise von unterwegs erkennbar, welcher Parkplatz frei ist. Im Falle des Carsharing-Parkplatzes wird zudem registriert, ob auch wirklich der jeweilige Fahrzeugtyp dort parkt. Das Quartiersnetzwerk dient zur Kommunikation unter Nachbarinnen und Nachbarn, darüber bieten sie Hilfe an und organisieren beispielsweise das Mitbringen von Einkäufen. Eine weitere Entwicklung in dem Projekt ist eine grafische Programmiersprache (Domain Specific Language). Diese wurde in JavaScript entwickelt und baut auf dem bestehenden Framework Node-RED auf. Der Vorteil der grafischen Programmiersprache ist, dass alle technischen Details und Codes im Hintergrund "versteckt" sind und sie so ohne Programmierkenntnisse nutzbar ist. Einzelne Funktionen stehen den Nutzenden als Programmblock zur Verfügung und können per Drag-and-Drop auf einer grafischen Oberfläche abgelegt und mit Linien verbunden werden. So basteln sich die Nutzenden eigene individuelle Programme. Über eine Anbindung von Amazon-Alexa sind die am meisten genutzten Dienste auch per Sprache steuerbar. Dadurch wird eine der zukünftigen Interaktionsmöglichkeiten angeboten. Neben den Daten direkt aus dem Quartier werden über ein Open Data-Portal unterschiedlichste offene Daten auf der Plattform zur Verfügung gestellt und gleichzeitig Daten in anonymisierter Form von der Datenplattform an das Portal übergeben. Beispielsweise sind so die aktuellen Daten über den ÖPNV oder die Verbrauchswerte aller Zähler in Summe als offene Daten verfügbar. In dem Quartier der Zukunft war Glasfaser bereits vorhanden. Grundsätzlich reicht jedoch für die Datenplattform auch eine starke Breitbandverbindung mit 25 MBit pro Sekunde aus.
Die fünf Forschungspartner arbeiten unter der Führung der Stadtwerke Rüsselsheim GmbH. Das Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme FOKUS entwickelt die Architektur des Gesamtsystems und stellt die offene Datenplattform bereit.
Das Fraunhofer-Institut für Software-Systemtechnik ISST kümmert sich um die sichere Ausgestaltung des Datenaustausches, der für die Dienste notwendig ist und entwickelt einen Softwarebaukasten, aus dem Bewohnerinnen und Bewohner ohne Programmierkenntnisse neue Dienste erstellen können. Die Urban Software Institut GmbH entwickelt die offene Datenplattform für urbane Dienstleistungen. Die Discovergy GmbH stellt die notwendige Smart-Metering-Infrastruktur für Strom, Gas und Wassermessung zur Verfügung sowie das Wissen für den digitalen Messstellenbetrieb. Die Projektlaufzeit betrug drei Jahre. In dem ersten Jahr wurden die Maßnahmen geplant und vorbereitet. Die Projektpartner haben drei in Frage kommende Quartiere in Rüsselsheim ausgewählt und in jedem Quartier eine Befragung durchgeführt. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Horlache Parks haben das größte Interesse gezeigt und wurden daher das Quartier der Zukunft. In dem zweiten Jahr wurden mit der Pilotversion den Bewohnerinnen und Bewohnern die ersten Smarten Dienste zur Verfügung gestellt. Dabei standen stets die Bedürfnisse und Anforderungen der Anwohnenden im Fokus und die Entwicklungen wurden immer wieder durch Interviews mit den Bewohnerinnen und Bewohnern neu ausgerichtet. Drei Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers wurden als sogenannte Zukunftsversteher ausgebildet, sodass sie die Plattform erklären, bei Problemen weiterhelfen und Verbesserungspotenziale an das Projektteam weitergeben konnten. Außerdem wurden den Bewohnerinnen und Bewohner in sechs Bürgerlaboren die Dienste erklärt und sie konnten sie direkt ausprobieren und Rückmeldung geben. Im dritten und damit finalen Jahr des Projektes ging es um die Fertigstellung der unterschiedlichen Smarten Dienste, die im Laufe der letzten Jahre auf Basis der Rückmeldung der Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelt wurden. Die finale Version wurde im Mai 2021 offiziell im Quartier vorgestellt.
In der entwickelten urbanen Datenplattform werden Daten erfasst, aufbereitet, gebündelt und den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie kommunalen Unternehmen und Verwaltungen zur Nutzung bereitgestellt. Dadurch wird die Schaffung neuer Dienste, die das Leben der Anwohnenden erleichtern, ermöglicht. Das Projektziel ist eine langfristige Nutzung, daher ist die Akzeptanz der Anwohnenden von zentraler Bedeutung und sie wurden eng in das Projekt eingebunden.
Die im Quartier lebenden Menschen und Eigentümer und Eigentümerinnen der Häuser entscheiden selbst, ob technischen Vorkehrungen, die im Rahmen von Quartier der Zukunft angeboten werden, in ihrer Immobilie eingebaut werden dürfen. Darüber hinaus entsteht eine Plattform für Diensteanbieter zur Einbindung Dritter in das Projekt. Die Zugangshürden dazu sind möglichst niedrig, damit Gewerbetreibende, aber auch interessierte Laien mit den Daten der Plattform eigene Dienste entwickeln und anbieten können. Während des gesamten Projektes wurden die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers eng miteinbezogen, um nutzerorientierte Dienste zu schaffen. Dazu wurden drei verschiedene Herangehensweisen ausgewählt: In drei Interviewrunden wurden die Bedürfnisse der Menschen erfragt und danach die Ausrichtung des Projektes daran angepasst. Beispielsweise wurde aus diesem Grund das Thema Carsharing in den Fokus gerückt und Smart Parking in den Hintergrund. In sechs Bürgerlaboren stellte das Projektteam dann die entwickelten Dienste vor und die Bewohnerinnen und Bewohner bekamen die Möglichkeit diese zu testen und direkt Rückmeldung zu geben. Daneben wurden drei Zukunftslotsen vor Ort ausgebildet, die ihren Nachbarinnen und Nachbarn die Dienste erklären konnten, bei Problemen helfen und Hürden sowie Herausforderungen an das Projektteam weitergaben.
Für das Quartier der Zukunft wurde ein hoher Standard des Datenschutzes technisch eingebaut. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers können auf einfache Art selbst entscheiden, wer welche Daten erhält und die Weitergabe auch einfach wieder beenden.
Beispielsweise können die im Quartier lebenden Menschen folgende Fragen entscheiden: Möchten Sie einem Dienstleister erlauben, ihren Stromverbrauch zu analysieren, um sich begründete Einsparvorschläge machen zu lassen? Möchten Sie einen Dienstleister beauftragen, während des Urlaubs ihren Wasserverbrauch zu überwachen, um Wasserschäden zu erkennen?

Kommunen

Das Projekt wird in folgenden Kommunen umgesetzt:

Rüsselsheim, Hessen

50.000 bis 100.000 Einwohner

Stadt

QuarZ sammelt unterschiedliche vorhandene technische Lösungen an einer Stelle und bietet Bewohnerinnen und Bewohnern so eine zentrale Anlaufstelle mit Smart Home Diensten und Daten aus den zuvor getrennten Bereichen. Eine erste Analyse der Nutzungszahlen zeigte, dass 25 - 30 % der Bewohnerinnen und Bewohner einen Account für die Datenplattform besaßen und besonders die Dienste des Smart Meters und das Carsharing genutzt wurden. In den ersten fünf Monaten wurde der Carsharing-Wagen für über 10.000 km vor allem für kurze Strecken genutzt.

Insbesondere die vielfältigen Beteiligungsmaßnahmen haben die Akzeptanz der Bewohnerinnen und Bewohnern erhöht. So hat das Projekt mit 10 - 15 % eine hohe Beteiligung in den Interviews erreicht, vergleichbare Projekte erzielen im Durchschnitt eine Beteiligung in den Interviews von etwa 5 %.

Die zugrunde liegende urbane Datenplattform stammt von der Urban Software Institut GmbH. Die in dem Projekt entwickelten Erweiterungen (das Quartiersnetz, die Programmiersprache, das Open Data Portal und die Sprachtechnologie) basieren auf Open Source Technologien. Ob diese Erweiterungen als Open Source Technologien veröffentlicht werden, wird noch entschieden.

Die im Quartier der Zukunft gemessenen Daten werden als Durchschnittswerte und dadurch anonymisiert im Open Data Portal veröffentlicht.

Beteiligte Projektpartner

Weiterführende Informationen